Nadine
Meine Erfahrungen und mein Umgang mit Katrin und ihrer Krankheit
Mein Name ist Nadine und ich bin 19 Jahre alt. Ich kenne Katrin seit
meiner Geburt, ihre Mutter war für einen gewissen Zeitraum meine
Pflegemutter, weshalb wir viel miteinander zu tun hatten. Durch unsere
ständige Nähe zueinander nahm ich bis ins Alter von ca.10
Jahren Katrins Krankheit überhaupt nicht wahr, wir waren schließlich
wie Schwestern. Außerdem zeigten sich keinerlei körperlichen
Einschränkungen.
Erst als wir uns immer seltener sahen, bemerkte ich erstmals Katrins
äußerliche Behinderung, empfand diese aber niemals als
unnatürlich- ich kannte sie ja nie anders. Zudem bemerkte ich
nie Reaktionen (z. B. Blicke) von Außerhalb auf Katrins Arme.
Das erste Mal, das ich einen Eindruck von Katrins Krankheitsbild bekam
war, als wir einen gemeinsamen Urlaub in der Schweiz verlebten. Damals
neckten wir uns oft und gerne. Als Katrin begann mir gegen das Schienbein
zu treten, trat ich ,,natürlich“ zurück. Ich empfand dies
nicht als stark, dennoch bekam ich Ärger von Katrins Mutter,
ich müsse etwas aufpassen, Katrin bekäme so schnell blaue
Flecken. Sicherlich war ich außerordentlich gekränkt und
beleidigt (schließlich bekam ich ständig blaue Flecken
von Katrin). Dann erklärte mir meine Mutter, dass man vorsichtige
mit Katrin umgehen müsse, da sie längere Blutungsphasen
hat. Seitdem achte ich mehr darauf Katrin nicht weh zu tun, informierte
mich aber noch nicht weiter mit ihrer Krankheit. Erst als ich in der
10. Klasse mit der Bluterkrankheit befasste, begann ich mich näher
für dieses Krankheitssyndrom zu interessieren. Ich ging noch
längere Zeit davon aus, Katrin leide unter dieser Bluterkrankheit,
obwohl diese nur Männer bekommen können, glaubte ich an
einen Ausnahmefall bei ihr.
Als Katrin mich vor kurzer Zeit bat einen Bericht über meinen
Umgang mit ihr zu schreiben, erfuhr ich erstmals den Zusammenhang
ihrer außerordentlichen Behinderung mit dem höheren Verblutungsrisiko.
Trotz allem muss ich gestehen, dass ich das genauere Krankheitsbild
nach wie vor nicht genau kenne. Aber wenn ich ehrlich bin, hat das
für mich auch keinen hohen Stellenwert. Wichtig hingegen ist
es, dass ich mit Katrin eine unvoreingenommene, freundschaftliche
Beziehung führen kann, ohne das mir ständig ins Gedächtnis
gerufen wird, Katrin sei so arm dran, da sie so eine schlimme Krankheit
habe.